Ostern 2020

 

CHRISTUS ist auferstanden.

Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Alleluja!

CHRISTUS RESURREXIT – SURREXIT DOMINUS VERE. ALLELUIA!

Foto: privat

 

Liebe Gemeinde!

Diese Ikone (Anastasis) hängt in meinem Arbeitszimmer. Sie stellt das Thema Ostern in der ostkirchlichen Auffassung dar. Christus ist auferstanden von den Toten, im Tode bezwang er den Tod und schenkt denen in den Gräbern das Leben. Die Osterbotschaft ist und bleibt gültig: Christus ist wahrhaftig auferstanden. Auch wenn wir das in der gegenwärtigen Situation weder fühlen noch manchmal wirklich glauben können. Wie gern wären wir lieber in der Kirche versammelt und würden im Anschluss gemütlich mit der Familie oder Freunden frühstücken. Aber das Virus zwingt uns, erheblich auf unsere sozialen Kontakte im Alltag zu verzichten. Die Folgen der Pandemie stellen unsere Solidarität und unser Mitgefühl auf die Probe.
Natürlich entscheidet die Pandemie nicht nur über Tod und Leben, sondern sie zeigt uns auch unsere seelischen Konflikte auf. Denn viele Menschen fühlen sich nicht nur innerlich leer, sondern sie sind ängstlich und machen sich Sorgen um sich selbst, um die Eltern, Kinder oder Enkelkinder. Diese Krise konfrontiert uns letztlich mit der Sinnfrage, die uns zeigt, wie verletzlich das Leben ist.
In einer kritischen Situation des Volkes Israel bekennt sich das Volk angesichts erheblicher Bedrohung demütig zu seinem Gott: „Wir warten auf Dich, HERR“ (Jes 26,8).
Ähnlich müssen sich die Emmaus-Jünger gefühlt haben. Enttäuscht und entmutigt verlassen sie Jerusalem, denn Jesus wurde gekreuzigt. Nur weg von hier, so mögen sie auf ihrem Weg nach Emmaus gedacht und gefühlt haben. In dieser Situation gesellt sich der Herr zu ihnen und erläutert die heilige Schrift. Und dann, beim gemeinsamen Mahl, beim „Brotbrechen“, fällt es wie Schuppen von ihren Augen. Sie erkennen Ihn als den Auferstandenen und kehren unverzüglich nach Jerusalem zurück.
Für mich ist dieser Text eine deutliche Herausforderung an uns: Wohin sind wir als Christen unterwegs - als Einzelner, als Gemeinde, als Kirche? Laufen wir als Resignierte und Enttäuschte weg? Oder packen wir an, haben den Blick füreinander und gehören zu denen, die mit einem „Trotzdem“ versuchen, in dieser Krise ein Stück Licht zu jenen zu bringen, die im Dunkel sind? Wie stark ist unser Glaube und unser Vertrauen auf den Herrn? Glauben wir noch, dass auch in diesem finsteren Tal der Auferstandene selbst die Initiative ergreifen kann, dass Er mit uns auf dem Weg ist, auch wenn wir uns vielleicht gerade mutlos, ängstlich und traurig fühlen? Die Emmaus-Jünger konnten auf dem Weg über alles miteinander reden. Denn der Herr geht den ganzen Weg mit ihnen, um ihre Herzen zu gewinnen und die gläubige Sehnsucht nach ihm erneut zu wecken. Und er hat Worte der Zuversicht und des Trostes.
Wenn wir reden, dann wollen wir oft „Recht haben“. Häufig reden wir viel zu viel und sagen doch sehr wenig, wir streiten und diskutieren über Belanglosigkeiten. Die Frage bleibt: Übersehen wir auf diesen trockenen Wegstrecken nicht allzu oft den Herrn, der unscheinbar mit uns geht? Lassen wir ihn auf unseren Wegen überhaupt noch zu Wort kommen?
Und dann bricht der Abend an. Die Emmaus-Jünger laden ihren Weggefährten zum Bleiben ein, denn sie empfinden seine Nähe so tröstlich, wenn die Dunkelheit da ist. „Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt“ (Lk 24,29).
Und nun geschieht das Wunder. Aus dem Gast wird überraschend der Gastgeber: „Er nahm das Brot und segnete es; und als er es gebrochen hatte, reichte er es ihnen“ (Lk 24,30).
Diese einfache Geste verkündete, wer Er war, und erinnerte die Jünger an Seine Liebe bis zum Tod. Da „wurden ihre Augen aufgetan, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen“ (Lk 24,31).
Den auferstandenen Christus erkennen wir auf Erden nur durch gläubige Erfahrung und nicht im Schauen, außer in der oft unscheinbaren Gestalt der Schwestern und Brüder neben uns.
Die Emmaus-Jünger brechen neu auf. Ihre Enttäuschung wandelt sich zu gläubigem Staunen und liebender Freude. Und obwohl es Nacht war, kehrten sie um: „Und sie standen auf zu derselben Stunde und kehrten zurück nach Jerusalem“ (Lk 24,33).
Der Ort, der eben noch ein Ort der zerbrochenen Hoffnung war, wird zum Ort der erfüllten Verheißung.

 

Liebe Gemeinde,

nach Emmaus gehen heißt, miteinander auf dem Weg bleiben, reden und sich bewusst machen, dass der Herr in ganz unauffälliger Weise neben uns geht. Und unser Bitten und Flehen darf immer wieder neu mit diesen einfachen Worten beginnen: Herr, bleibe bei uns!
Deshalb lassen Sie uns nicht aufhören füreinander zu beten – auch und gerade für die, die in den Krankenhäusern liegen. Für die Ärzte, die Pflegenden, Feuerwehr, Polizei, die Kassiererinnen und all die Menschen, die dazu beitragen, dass das Leben noch funktioniert. Beten kann zur sinnstiftenden Berufung werden. „Da hilft nur noch beten!“. Sie alle kennen diesen Satz. Ja, ich glaube an die Kraft des Gebets, da sie uns hilft, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, denn im Gebet sprechen wir aus, was uns Sorge macht. Beten ist so kein Ausdruck von Hilflosigkeit, sondern ein aktives Tun, das mich mit meinem Denken, Fühlen und Handeln in Anspruch nimmt und mir auf diese Weise hilft, den Willen Gottes auf meinem Emmaus-Weg zu erfüllen. Inmitten von Mutlosigkeit spricht mich Ostern eine neue Hoffnung an, die uns als Jahreslosung 2018 bekannt ist: „Jesus Christus spricht: Ich lebe, und ihr sollt auch leben“ (Joh 14,19). Denn wo Menschen angesichts von Krankheit, Angst und Tod verzagen, da tritt Gott selbst neben die Verzagten. Und so möchte ich uns allen Mut machen und schließe mit den Worten von Dietrich Bonhoeffer:

 

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

 

    Ihr Pastor
Wolfgang Hohensee